In Zeiten, in denen man einen politischen Rechtsruck beobachten kann und nationale Interessen in den Fokus rücken, sind grenzüberschreitende Interaktionen und Erfahrungen besonders wichtig. Wer sind denn eigentlich die anderen? Macht gerade heute statt Abgrenzung nicht eher Verbindung Sinn? Um derartige Fragen zu Europa und Demokratie zu beleuchten, dafür gibt es die ERASMUS Austauschprojekte, an denen das Stormarner Emil von Behring-Gymnasium teilnimmt.
Eines davon wird durchgeführt mit der IES Arquitecto Ventura Rodríguez in Boadilla bei Madrid. Gestartet 2019 lief nun der vierte Durchgang. Die Nachfrage war groß und so musste das Los entscheiden, welche 20 deutschen Schüler/innen aus drei Spanischklassen des 9. Jahrganges im Herbst 2024 für eine Woche in den Süden Europas fliegen durften. Gewohnt wurde bei den Familien ihrer Austauschpartner. Gelernt wurde gemeinsam im spanischen Klassenzimmer. Gegessen wurde Landestypisches, auch in kleinen Tapasbars oder Churro Cafés.
Nun stand der Gegenbesuch an. Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen María Martín und Sara Cristóbal tauchten die 20 jungen Madrilenen ein in den deutschen Alltag. Sie wohnten in ihren Gastfamilien als zusätzliches Kind. Sie gingen aufs deutsche Gymnasium. Sie erlebten einen Mix aus sportlichen Aktivitäten wie Kin-Ball, Klettern und Mini-Olympiade. Sie machten Ausflüge in die alten Hansestädte Lübeck und Hamburg. Sie grillten gemeinsam Bockwürste im großen Garten der Schulsekretärin. Alles in gemischten Teams. Manches unterstützt vom E-Jahrgang.
Sprachbarrieren? Gab es dabei nicht. Man verständigte sich in der Lingua Franca Englisch, ab und an wurden aber auch die Spanisch- bzw. Deutschkenntnisse getestet. „The private houses are so big“, schwärmte Noa. „You´ve got so much green here“, ergänzte Lucia. „Breakfast and dinner times are sooo early“, fand eine Mitschülerin aber augenzwinkernd auch ein paar kritische Worte.
Nach dem Motto „Sport verbindet“ organisierten die deutschen und spanischen Schüler spontan und eigenständig ein Fußballturnier. Gespielt wurde dieses Mal nicht in gemischten Teams. Man wollte nun doch mal testen, wer die bessere Fußballnation sei. Die Mädchen feuerten jeweils ihr Nationalteam an. Dass am Ende die Deutschen gewann, tat dem Gruppenspirit keinen Abbruch.
„Ich habe früher selber an verschiedenen Austauschprogrammen teilgenommen“, erzählte die auf deutscher Seite für diesen Gegenbesuch verantwortliche Lehrerin Anastasia Zunker. „Ich weiß, wie stark Erinnerungen daran prägen – so etwas ist in meinen Augen Teil der Friedenssicherung!“ Sie und Kollegin Paula Estrada hofften, das gegenseitige Verständnis zwischen Spaniern und Deutschen zu fördern und zu festigen. Neben der Sprachpraxis seien es die kulturellen Erfahrungen, die zählten. Auch die ebenfalls beteiligten Spanischlehrkräfte Bettina Roosen und Finn Melander hofften auf ein gestärktes Gefühl des Zusammenhaltes und der Zusammengehörigkeit.
Jillissa und ihre Austauschpartnerin Lucia jedenfalls haben sich gefunden und gut verstanden. Sie sind, ebenso wie Anni und Marta, dicke Freundinnen geworden. Sie wollen sich schon ganz bald wiedersehen und die Verbindung auf jeden Fall halten. „Für diejenigen, bei denen die Verbindung nachhaltig ist, wird in Klassenstufe 10 noch ein weiteres ERASMUS Projekt angeboten; dann dauert der Austausch jeweils drei Wochen und ist intensiver“, stellte Organisatorin Celia Digón-López in Aussicht. Es hätten sich auch „viele in viele verliebt“, ist zu hören. Auch, wenn die Liebe die Distanz vielleicht nicht überdauert – eine Verbindung ist sicher auch so entstanden.
Am Ende gab es ein gemeinsames Frühstück mit viel Nutella in der Schulmensa. „I like your school building. There is so much light and space – and you have a stage“, lobte Noa. Wieder in gemischten Gruppen wurden Kurzvorträge zu den vergangenen Tagen gehalten – und es wurde darüber räsoniert, was Europa bedeute. Dass man wohnen und arbeiten könne, wo man wolle, war eine Erkenntnis. Dass man die gleichen Werte wie Freiheit und Toleranz teile, eine andere. Dass man diese auch gemeinsam verteidigen müsse, eine dritte.
Text: Heike Blenk
Bilder: Heike Blenk, Celia Digón-López, Josephina Wollmann, Yasmin Beier, Benedikt Meyercordt