In der Schule gibt es ein Fach, in dem man weder lange stillsitzen noch fordernden Lehrervorträgen zuhören muss, bei dem lange Hausarbeiten ausgeschlossen sind und das sogar Freude bereitet. Dieses Fach ist Darstellendes Spiel.
Und dank des großartigen Engagements von Frau Blenk steht so wie jedes Jahr auch diesen Sommer wieder ein Projekt des DSP-Kurses des Q1-Jahrgangs an und auf der Bühne. Dieses Jahr darf das Publikum über „Woyzeck“ nachgrübeln. Die Premiere fand am 6.6. statt, weitere Aufführungen gibt es am 9.6. um 19.30 Uhr und Montag und Mittwoch am Vormittag.
Wer kurz vor knapp zur Premiere kam, sah schon vor dem Haupteingang Menschen stehen, die offensichtlich auf Einlass warteten, und auch die ganze Pausenhalle war gefüllt, denn noch durfte niemand hinein in die fremde Welt. Doch endlich gingen die Türen auf, wir Zuschauer strömten in den Saal, begleitet von jazziger Klaviermusik und mit direktem Blick auf den Protagonisten des Stücks: Franz Woyzeck saß mitten auf der Bühne, gedankenverloren und in sich zusammengesunken lebte er in seiner eigenen Welt, heraufbeschworen durch ausbeuterische Experimente und sein soziales Umfeld.
Doch wir mussten nicht lange warten, denn kurze Zeit später gingen die Lichter aus und ganz andere Musik begann. „Gods away on business“ von Tom Waits wummerte aus dem Boxen. Nacheinander strömten alle für Woyzeck in irgendeiner Form wichtigen Charaktere auf die Bühne, sein Gedankenkarussell begann. Immer wieder wurden wir an diesem Abend in die krude Welt eines unter noch nicht zugelassenen Medikamenten leidenden Arbeiters geführt, der sowohl in der Liebe als auch im Beruf mit Problemen zu kämpfen hat und doch nur immer weitere Schicksalsschläge erleidet.
Bleibt da als Rettung sein einziger „Freund“, mit dem er die Arbeit im Abwasserkanal verrichtet? Oder seine Freundin Marie, die er mit allem liebt, was er besitzt, auch wenn das nicht besonders viel ist? Widersteht Woyzeck dem Teufelchen in seinem Kopf, dem Doktor an seinem Körper und einem Arbeitgeber in seinem Ohr?
All diese Fragen lassen sich beantworten, wenn man sich dieses tiefgründige Stück anschaut, doch von Einfachheit kann dabei nicht die Rede sein. Die Neufassung von Büchners „Woyzeck“ hat erheblichen Realitätsbezug, vielleicht heute mehr denn je. Wann hat der Mensch genug zum Leben? Und wie viel muss er geben, um zu arbeiten? Franz Woyzeck halluziniert sich durch diese Fragen hindurch, nur der Schluss kommt unvermeidlich, und so wird jeder Zuschauer auch etwas aus seinem eigenen Leben sehen können. Letztlich kann jeder für sich selbst entscheiden, welche der Figuren das Verbrechen begannen hat, wer Täter und wer Opfer ist.
Text: Justus Krüger; Q2, Presse-AG/Blk
Bilder: Marvin Keller