Einblicke in den französischen Schulalltag von Maik Güldenstern
Nachdem ich als Student bereits im Rahmen des Erasmus-Programms ein Auslandssemester in Finnland absolviert und dort an einer Schule in Turku hospitiert hatte, bot sich mir nun eine neue Gelegenheit: Im Rahmen von Erasmus Plus durfte ich eine Woche lang den Schulalltag an einem französischen Lycée in Trappes, einem Vorort von Paris, miterleben. Begleitet mich gern ein Stück auf dieser spannenden Reise!
Trappes – Zwischen Vielfalt und Herausforderung
Trappes, rund 13 Kilometer westlich von Versailles gelegen, ist eine multikulturelle Stadt mit etwa 30.000 Einwohner*innen. Die Schule, die ich besuchte, gilt als Brennpunktschule – beim Betreten des Geländes musste ich mich an Sicherheitskontrollen und Zäune gewöhnen, die eher an einen Flughafen als an eine Schule erinnerten. Zwei fest angestellte Sicherheitskräfte überwachen den Ein- und Ausgang aller Personen.
Trotz – oder gerade wegen – dieser Herausforderungen ist das Kollegium besonders engagiert und überwiegend jung. Hintergrund ist ein Bonussystem in Frankreich, das junge Lehrkräfte motiviert, zunächst an Schulen mit hohem Lehrerbedarf zu arbeiten. Nach Erreichen einer bestimmten Punktzahl dürfen sie an eine bevorzugte Schule wechseln. Zusätzlich erhalten sie einen finanziellen Zuschlag von etwa 200 € monatlich. Auch die Klassen sind etwas kleiner als an anderen Schulen.
Struktur und Fächerwahl am französischen Lycée
Das französische Lycée lässt sich mit einer Kombination aus deutscher Gemeinschaftsschule mit Oberstufe und Fachoberschule vergleichen. Nach der 9. Klasse führen verschiedene Bildungsgänge innerhalb von drei Jahren zum Baccalauréat, dem französischen Abitur.
Ich hospitierte vor allem in den Fächern Geschichte, Geografie und Wirtschaft, durfte aber auch den Sprachenunterricht in Englisch, Deutsch, Französisch und Philosophie begleiten. Besonders im Deutschunterricht war mein Einsatz als Muttersprachler willkommen – ich stellte unsere Schule vor und beantwortete viele neugierige Fragen der Schüler*innen. Es entstand ein lebendiger und offener Austausch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Schulalltag beider Länder.
Kollegiale Einblicke und herzlicher Empfang
In Frankreich spezialisieren sich Lehrkräfte bereits im Studium auf ein Fach – das war für mich neu und interessant zu beobachten. Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit und Freundlichkeit, mit der ich empfangen wurde. Obwohl mein Französisch etwas eingerostet war, konnte ich schnell Kontakte knüpfen und mich aktiv in den Schulalltag einbringen.
Ein echtes Highlight war die Einladung zu einem gemeinsamen Ausflug nach Paris: Wir besuchten den französischen Senat im Palais du Luxembourg und anschließend den weltberühmten Louvre. Der Museumsbesuch war für die Schüler*innen besonders eindrucksvoll – nicht zuletzt wegen der prunkvollen Räume Napoleons III., die eine Zeitreise in das französische Kaiserreich ermöglichten (s. Fotos).
Unterrichtskultur – respektvoll und formell
Die Unterrichtsatmosphäre war insgesamt respektvoll, jedoch formeller und lehrerzentrierter als ich es aus Deutschland kenne. Partner- oder Gruppenarbeiten fanden überwiegend im Sprachunterricht statt. In anderen Fächern dominierten Stillarbeit, Lehrervortrag und das Lehrer-Schüler-Gespräch. Die Lehrkräfte berichteten, dass Schüler*innen Schwierigkeiten hätten, sich in offeneren Lernformen zu organisieren und dass der Unterricht dann weniger effizient sei.
Auffällig war die ausgeprägte Mittagspause: Schüler*innen essen entweder in der sehr gut besuchten Schulkantine oder außerhalb. Das in Deutschland bekannte Pausenbrot ist dort unüblich, ebenso das Trinken im Unterricht. Die Pausen zwischen den Stunden sind zudem mit 5 bis 10 Minuten recht kurz, sodass diese meist im Schulgebäude verbracht wird (trotz des Fitnessparcours für eine „bewegte Pause“ draußen; s. Foto). Besonders positiv fiel mir die Qualität des Essens in der Mensa auf – komplette Menüs mit entrée, plat und dessert wurden auch von den Lehrkräften gern genutzt (s. Foto).
Digitales Pilotprojekt: Handyfreie Zonen und mehr Konzentration
Eine für mich besonders interessante Erfahrung war der Umgang mit digitalen Endgeräten: In einem Pilotprojekt testen rund 200 Schulen – darunter auch das Lycée in Trappes – ein konsequentes Handyverbot im Unterricht. Alle Schüler*innen legen zu Beginn der Stunde ihre Smartphones in Aufbewahrungsboxen (s. Foto).
Das Ziel: die Bildschirmzeit begrenzen und Cybermobbing verhindern. Nach meinen Beobachtungen hatte dies tatsächlich einen positiven Effekt auf die Konzentration und Beteiligung der Schüler*innen – vorausgesetzt, die Lehrkraft setzte das Verbot konsequent um. In einigen Klassen gab es jedoch Versuche, das Handy verdeckt zu nutzen, was sich auch spürbar auf die Aufmerksamkeit auswirkte.
Die Klassenzimmer selbst waren einfach, aber funktional ausgestattet – alle verfügten über ein digitales Whiteboard. iPads oder Tablets kamen nicht zum Einsatz. Stattdessen nutzen Schüler*innen eine offizielle App des französischen Bildungsministeriums, mit der sie unter anderem ihre Noten und Stundenpläne abrufen können – vergleichbar mit Iserv bei uns.
Erasmus Plus: Ein Programm, das Brücken baut
Die Teilnahme am Erasmus-Plus-Programm war für mich eine einzigartige Chance, interkulturelle und pädagogische Erfahrungen zu sammeln und einen authentischen Einblick in das französische Bildungssystem zu gewinnen. Die Hospitation hat mir neue Perspektiven eröffnet, den Austausch mit Kolleg*innen gefördert und mir gezeigt, wie wertvoll solche Programme für die europäische Zusammenarbeit im Bildungsbereich sind.
Ich bin dankbar für diese Erfahrung und motiviert, den europäischen Gedanken und die Idee von grenzüberschreitender Bildung auch an unserer Europaschule weiterzutragen.
Ein besonderer Dank gilt den beiden Koordinatorinnen Celia Digón López und Laure Bazir.
Weitere Reisetagebücher von Kolleginnen und Kollegen aus diesem und dem letzten Schuljahr finden sich hier:
Finnland, Mai 2025 - Frau Lentz und Herr Schraplau
Norwegen, Mai 2025 - Frau Fritzsche und Frau Koch
Spanien, März 25 - Herr Meyer-Diekena
Schweden, März 25 - Frau Blenk und Frau Digon
Finnland, Mai 24 - Frau Böhrk, Frau Höckendorff und Frau Krummrey
Finnland, März 24 - Frau Iven und Frau Janssen