Sonntag, 23.03.2025
Die Stadt hat mich heute bei strahlendem Sonnenschein empfangen, und so habe ich bei einem ersten Spaziergang schon viele Eindrücke sammeln können und bin auf freundliche und hungrige Menschen getroffen. Beides ist in dieser Stadt nicht verwunderlich. Die Freundlichkeit hängt sicher mit dem Wetter zusammen, mit der vibrierenden Atmosphäre und natürlich mit dem Essen. Auf dem Mercado de San Miguel habe ich mich selbst davon überzeugt und zum Beispiel Bocata de Calamares (Tintenfisch-Sandwich) oder Churros con chocolate (Obst mit Vitaminen) probiert.
Morgen beginnt der Hauptteil der Reise, wenn ich mir Unterricht an IES Arquitecto Ventura Rodriguez Schule in Boadilla ansehe und am Ende der Woche hoffentlich viele Eindrücke mit nach Hause bringe. Also, schaut auf der Homepage vorbei und begleitet mich ein Stück. Hasta luego!
Montag, 24.03.2025
Nach einstündiger Anfahrt aus Madrid, wurde ich heute von Maria, der Erasmus-Koordinatorin der Schule, direkt an der Bahnstation in Boadilla herzlich empfangen. An der Schule angekommen, zeigte sie mir das Gebäude und stellte mich Kolleginnen und Kollegen vor, die mich alle nicht weniger herzlich mit spanischer „Links-rechts Kombination“ willkommen hießen.
Mein erster Englisch Unterrichtsbesuch war in Marias 8. Klasse. Erwähnenswert war gleich zu Beginn, dass Maria sämtliche Handys der SchülerInnen in einem kleinen Korb einsammelte, sodass niemand sein Handy bei sich hatte.
Danach stand ein Treffen der Englischfachschaft auf dem Programm, zu dem ich freundlicherweise eingeladen wurde. Männliche Englischlehrkräfte gibt es hier übrigens erstaunlicherweise nicht.
Ein weiterer interessanter Punkt war der Umgang mit KI an der Schule. Es ging darum, ob und in welcher Form Schülerarbeiten mit Hilfe von KI korrigiert werden sollen. Die Fachschaftsleitung möchte gerne eine KI nutzen, um bei der Korrektur Hilfestellung zu bekommen und den KollegInnen somit Zeit für andere Aufgaben freigeben zu können. Das Hauptargument für einen solchen Einsatz war, dass die KI die Beurteilung einer Arbeit oder Hausaufgabe direkt in drei Bereiche unterteilt: Positives Feedback, Verbesserungs-/ bzw. Alternativvorschläge und Fehleranalyse.
In der Pause hatte ich die Gelegenheit, mich mit weiteren Lehrkräften zu unterhalten. Schnell ging es um Gemeinsamkeiten und Unterschiede des spanischen und deutschen Schulsystems. Interessant war, dass die Lehrkräfte in Spanien nur ein einziges Fach unterrichten und ein volles Deputat maximal 20 Stunden Unterricht bedeutet. Insgesamt ist die Schule hier etwas kleiner als unsere, mit knapp unter 1000 Schülerinnen und Schülern.
Zum Schluss habe ich mir noch den Sportunterricht angeschaut, einmal in einer neunten und einmal in einer zehnten Klasse mit je 28 SchülerInnen. Aufgrund des guten Wetters fand der Unterricht draußen statt. Die Kinder haben Rope Skipping-Choreographien geübt und Ultimate Frisbee gespielt und wurden dafür jeweils in Kleingruppen aufgeteilt. Die Sportanlagen sind, verglichen mit denen am EvB, deutlich kleiner und weniger gut ausgestattet. Der Sportunterricht fand beispielsweise auf einem Betonplatz statt. Eine Rasenfläche oder gar eine Laufbahn gibt es nicht.
Mir fiel auf, dass der Unterricht sowohl in Englisch als auch in Sport sehr gelenkt ablief. Die Atmosphäre zwischen Lehrkräften und SchülerInnen ist insgesamt respektvoll und höflich. Die aktive Beteiligung am Unterricht war in allen Klassen, die ich gesehen habe, hoch.
Zum Abschluss wurden bei Café con y sin leche bereits erste mögliche gemeinsame Projektideen mit den spanischen Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht, und so sind meine ersten Eindrücke von heute insgesamt sehr positiv. Die Schülerinnen und Schüler sind unheimlich aufgeschlossen und kamen mehrfach auf mich zu, schüttelten mir die Hand und stellten mir Fragen. Einige von ihnen freuen sich bereits auf ihren Besuch bei uns am EvB im Juni. Auch die Lehrkräfte sind ausgesprochen freundlich, offen und interessiert.
Das macht Lust auf mehr. Hasta mañana!
Dienstag, 26.03.
Handynutzung in der Schule: Chancen und Herausforderungen - ein internationales Thema
In einer spannenden Unterrichtsstunde in der 10. Klasse wurde heute das Thema Handynutzung in Schulen in den Fokus gerückt – ein Thema, das nicht nur aktuell ist, sondern auch kontroverse Meinungen hervorruft. Die SchülerInnen bereiteten sich auf das Cambridge-Zertifikat vor und sollten über die Vor- und Nachteile der Handynutzung im schulischen Alltag diskutieren. Positiv wurde genannt, dass Themen schnell recherchiert und Antworten gefunden werden können. Negativ sei aber die konstante Ablenkung und daraus resultierende unzureichende oder gar fehlerhafte Ergebnisse. Es zeigte sich, wie wichtig es ist, klare Richtlinien für den Umgang mit digitalen Geräten zu setzen.
Auch jüngere Schüler der 8. Klasse erlebten den Einfluss von Handynutzung auf ihre Lernprozesse. Während einige von ihnen Schwierigkeiten hatten, sich in Gruppenarbeiten zu organisieren und die zur Verfügung stehende Zeit für die Aufgaben zu nutzen, weil sie, trotz Anweisung der Lehrkraft, ihre Handys immer wieder für private Nachrichten nutzten, bewies eine andere Stunde, wie effektiv und konzentriert der Unterricht ohne Ablenkung durch Smartphones sein kann. Besonders inspirierend: Die bilingualen Schülerinnen und Schüler beeindruckten mit einem gesteigerten Konzentrationsniveau und hervorragenden Englischkenntnissen.
Diese Beobachtungen werfen die Frage auf, wie digitale Geräte sinnvoll integriert oder aber bewusst ausgeklammert werden sollten. Zusätzlich entstand während des Erasmus-Treffens im Gespräch mit den spanischen Kolleginnen und Kollegen die Idee, fächerübergreifende und projektorientierte Ansätze stärker zu fördern – etwa durch gemeinsames Arbeiten in Geschichte, Biologie oder in sprachlich orientierten Projekten. Ein spannender Weg, der Zusammenarbeit und Kreativität fördern und dabei Wege aufzeigen könnte, Konzentrationsfähigkeit zu verbessern und die Ablenkung durch Handynutzung zu minimieren!
Mittwoch, 27.03.
Heute ist in Bezug auf den Unterricht bereits Halbzeit. Um bei dem sportlichen Begriff zu bleiben, ist das immer auch ein Moment für eine Bestandsaufnahme, eine Gelegenheit zur Evaluation dessen, was bereits gewesen ist und dessen, was noch folgen soll.
Der Unterricht, den ich heute besucht habe, bot viele Gelegenheiten, diese Evaluation vorzunehmen: Die Schule ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Raum, in dem Gedanken, Ideen und Kreativität aufblühen können. Heute bestimmten eine Mischung aus Reflexion, Schülergesprächen und einem kreativen Austausch über die Zukunft den Tag.
1. Schülergespräche – Inspiration durch Fragen
In der ersten Stunde kamen die Schüler einer 10. Klasse zusammen, um mir Fragen rund um das Thema "Job Shadowing" zu stellen. Bei 30 SchülerInnen kamen schnell über 100 Fragen zusammen. 3 davon will ich mit euch teilen, die anderen 90+ können gerne ab nächster Woche nachgefragt werden ????:
- Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
- Welchen Job wollten Sie nach der Schule unbedingt ausüben?
- Was mögen Sie an Ihrem Job am meisten?
Alle LeserInnen sind eingeladen, darüber nachzudenken und eigene Antworten zu finden. Eine gute Gelegenheit zur Selbstreflexion! In der kommenden Woche können wir uns dazu dann gerne weiter austauschen!
2. Projektarbeit
Im Vorfeld der nächsten Stunde wurde ich "gewarnt", die SuS seien "schwierig" und "unkonzentriert", und die Kollegin entschuldigte sich dafür. Auch hier hatte ich eine Antwort, die ich aber mit einer Gegenfrage an alle LeserInnen zurückspiele: Wie hättet ihr reagiert?
Die Stunde war dann geprägt von kreativer Energie. Die SchülerInnen arbeiteten in Gruppen an einer Projektidee und erstellten Präsentationen. Themen wie "Zuckerfreie Bäckerei" und "Pflege und Wellness für Familien mit Kindern" zeigten beeindruckende Kreativität der SchülerInnen. Jede Gruppe war konzentriert bei der Sache.
3. Diskussion: Schule und Lernen – Ein internationaler Vergleich
Die letzte Klasse des Tages war von technischem Pech geprägt – der geplante Kahoot-Test fiel aus. Doch aus der Herausforderung entstand eine tiefgründige Diskussion über die Schulsysteme in Spanien und Deutschland. Fragen wie "Warum sind wir in der Schule?" und "Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?" brachten Lehrkräfte und SchülerInnen gleichermaßen zum Nachdenken.
Jetzt darf wieder jeder selbst gedanklich einsteigen. So viel sei aber verraten. Sowohl Lernende als auch Lehrende hier in Spanien würden zu dem Thema gerne international arbeiten... Hasta mañana!
Donnerstag, 28.03.
Heute ging das Jobsharing-Projekt in Madrid in die vorletzte Runde und wieder war das Interesse an gemeinsamen Projekten mit Deutschland groß.
Austausch mit der 7. Klasse: Lernen über Hobbys und Kulturen
Gleich am Morgen bot sich die Chance, mit den Schülerinnen und Schülern der 7. Klasse ins Gespräch zu kommen. Schnell wurde klar: Der Wunsch nach gemeinsamen Projekten ist groß! Die Jugendlichen hielten Präsentationen über ihre Hobbys – ein perfekter Ansatzpunkt für interkulturellen Austausch. Warum nicht ein Projekt zu Freizeitaktivitäten in Deutschland und Spanien auf die Beine stellen? So könnten authentische Sprechanlässe entstehen, die das Sprachenlernen lebendig machen.
Sprachunterricht in der Oberstufe
Auch in einer Oberstufenklasse war das Interesse an Deutschland und seinem Bildungssystem enorm. Viele wollten wissen, wie unser Unterricht aufgebaut ist – besonders im Bereich Sprachunterricht. Einige hatten bereits Kontakte nach Deutschland, was den Austausch noch spannender machte. Fächerübergreifend bieten sich hier tolle Gelegenheiten, zum Beispiel mit Geschichte, WiPo oder Biologie. Aber auch alle anderen Fächer würden von einem gemeinsamen Projekt profitieren.
Lehrkräfte wünschen sich mehr Freiheiten
Im Gespräch mit der Schulleiterin ging es um die strukturellen Rahmenbedingungen: Der Wunsch der Lehrkräfte, freier unterrichten zu können, steht im Kontrast zu den Vorgaben des Bildungsministeriums. Ein kreativeres Curriculum mit mehr Freiräumen für innovative Lehrmethoden wäre ein großer Gewinn. Die gute Nachricht: Die Schulleitung zeigt sich offen für neue Wege und möchte alternative Lernräume in Zukunft stärker nutzen.
Und jetzt?
Wir haben erste Pläne für gemeinsame Projekte und den sprachlichen Austausch, aber das ist erst der Anfang. Wer Ideen hat oder sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, mit mir in Kontakt zu treten. Lass uns gemeinsam interkulturelle Projekte starten und die Kontakte, die wir in Europa haben, langfristig stärken.
Freitag, 28.03.
Am Ende wird es ja gerne mal philosophisch. Da finden wir uns bei Erasmus in guter Gesellschaft. Ich wähle aber Jean Piaget, der betont, das Bildung immer auch Innovation und Kreativität fördern soll: „Das Hauptziel von Bildung ist es, Menschen zu erschaffen, die fähig sind, neue Dinge zu tun, und nicht einfach nur das zu wiederholen, was andere Generationen getan haben – Menschen, die kreativ, erfinderisch und entdeckend sind.“
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiede ich mich heute also von meiner Zeit hier an der Schule in Spanien. Es war ein Aufenthalt voller inspirierender Momente, bereichernder Erfahrungen und lehrreicher Einblicke, sowohl in die Kultur als auch in den Schulalltag dieses schönen Landes.
Mein letzter Tag hätte keinen besseren Abschluss finden können. Im Englischunterricht der 8. Klasse wurde mit vollem Einsatz das Konzept des „Spelling Bee“ geprobt – ein Buchstabierwettbewerb nach amerikanischem Vorbild. Die Schülerinnen und Schüler bewiesen nicht nur ihr sprachliches Geschick, sondern auch ihren Teamgeist und ihre Begeisterung für die englische Sprache. Zuvor hatte eine amerikanische Assistenzlehrkraft die Lernenden in einer kreativen Übung mit auf eine imaginäre Reise in ihre Wohnung genommen. Die Kinder mussten unterdessen mitschreiben und anschließend prüfen, ob sie die Beschreibung richtig gehört hatten.
Sportlich wurde es danach mit einer talentierten 7. Klasse im Badminton – ein echtes Training nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für mich.
Doch der Höhepunkt war zweifellos der Unterricht in einer 9. Klasse. Gemeinsam tauchen sie derzeit in Lois Lowrys „The Giver“ ein, eine faszinierende Novelle über eine dystopische Gesellschaft, in der Gefühle und Erinnerungen unterdrückt werden, um eine scheinbare Harmonie zu schaffen. Gerade heute, in einer Zeit, in der Themen wie Individualität, Freiheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt weltweit kontrovers diskutiert werden, bietet „The Giver“ wertvolle Denkanstöße. Die Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie bedeutend die Wahrung von emotionaler Vielfalt und der Kampf für persönliche Freiheit sind – zentrale Werte, die auch in unserer modernen Welt und innerhalb des Erasmus-Programms eine Schlüsselrolle spielen.
Das Erasmus-Programm lebt von genau diesen Werten. Schülerprojekte, die sich mit demokratischen Prinzipien und dem europäischen Gedanken beschäftigen, sind ein wertvoller Beitrag dazu, diese Ideale zu stärken.
Wir sollten daher unbedingt in gemeinsame kreative Projekte unserer Schülerinnen und Schüler mit denen aus Spanien investieren, um den Austausch zu fördern, voneinander zu lernen und in Dialogen die Bedeutung von Demokratie und europäischer Zusammenarbeit greifbar zu machen.
Die Reise war bereichernd und inspirierend. Sie hat gezeigt, wie viel Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen europäischen Ländern steckt. Ich wünsche den zukünftigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ebenso bereichernde und unvergessliche Erfahrungen. Adiós y hasta luego, España!
Sascha Meyer-Diekena
Weitere Reisetagebücher von Kolleginnen und Kollegen aus diesem und dem letzten Schuljahr finden sich hier:
Schweden, März 25 - Frau Blenk und Frau Digon
Finnland, Mai 24 - Frau Böhrk, Frau Höckendorff und Frau Krummrey
Finnland, März 24 - Frau Iven und Frau Janssen