Shakespeare im Lockdown

DSp mit Abstand

Shakespeare im Lockdown

 

So hatte sich das der Dramatiker wohl nicht vorgestellt; und wir, der Kurs Darstellendes Spiel Q1 bei Frau Blenk, auch nicht. Anstatt Theater in voller Montur zu spielen heißt es nun Zuhause sitzen und Szenen auf dem Papier planen, ohne Kostüm, ohne Nebel und ohne gemeinsames Spielen. Trotzdem arbeitet der DSP-Kurs aus Q1 fleißig daran, den Klassiker auf die Schulbühne zu bringen. Werft gemeinsam mit uns einen Blick hinter die Kulissen des „Lockdown-Theaters“.

Wir haben uns für eines von Shakespeares bekanntesten Stücken entschieden, welches auch heute noch von Schauspielhäusern auf aller Welt gespielt wird. Während einer Schlacht erscheinen dem Heerführer Macbeth drei Hexen, die ihm eine Zukunft als König prophezeien. Doch für Macht müssen auch Opfer gebracht werden und so ermordet der Ritter den König Duncan und seine Söhne, um sich den Weg als nächster Thronfolger freizumachen. Beeinflusst wird er dabei von seiner herrschsüchtigen Gattin Lady Macbeth, eine Frau mit Ambitionen, die sie wegen ihres Geschlechts nicht ohne ihren Mann durchsetzen kann. Jedoch gerät die Stellung des neuen Königspaares immer wieder in Gefahr, die Morde häufen sich und werden grausamer. Die Geister der Toten treiben Macbeth in den Wahnsinn, er wird eine Marionette seiner eigenen Gespenster. Die übrigen Feldherren wissen: Erst durch Macbeths Tod wird das Land wieder Frieden erfahren.

Macbeth ist eine Geschichte über Machtgier, Mord und das Böse. Doch auch politische Verbrechen und Tyrannei sind Thema; und damit kann sich die heutige Welt noch immer allzu gut identifizieren. Auch 400 Jahre nach Erscheinung des Dramas sind die Probleme der Menschheit die gleichen. Viele Länder leiden unter der Unterdrückung von Politikern, die ihr Konzept fälschlicherweise als „Demokratie“ verkaufen; Freiheit ist nur ein äußerer Schein. Jedoch geht es nicht um Großmächte, sondern viel mehr um den Menschen dahinter. Die Wandlung von Macbeths Werten zeigt, dass jeder Mensch eine dunkle Seite hat. Wir unterscheiden uns lediglich darin, wodurch sie hervorgerufen wird – und wie wir ihr begegnen.

In der Geschichte wird der Feldherr als Marionette der Hexen dargestellt, die ihn durch zweideutige Aussagen in sein eigenes Verderben stürzen. Wichtig dabei ist, dass Macbeth am Ende jede Tat selbst begeht; die drei Wesen ermutigen ihn zwar dazu, auf eigene Faust handeln sie jedoch nie. Der Leser kann selbst entscheiden, ob es die Magierinnen wirklich gegeben hat, oder ob sie nur eine Metapher für das Böse in Macbeth sind, dem er sich hingibt.

Eine weitere wichtige Rolle und ihre Bedeutung ist Lady Macbeth: Als Opfer des Patriarchats versucht sie, die gesellschaftlichen Normen zu durchbrechen und als Herrscherin endlich eine Stimme zu besitzen. Bis heute müssen Frauen sich gegen Diskriminierung und Nachteile wegen ihres Geschlechts wehren; Lady Macbeths Kampf ist auch im 21. Jahrhundert noch lange nicht gewonnen. Deswegen war es uns von Anfang an wichtig, nicht nur die Handlung zu erzählen, sondern alles, was das Drama bedeutet.

Das funktionierte bis Frühling letzten Jahres eigentlich auch sehr gut. Jede Woche haben wir gemeinsam verschiedene Schauspielmethoden ausprobiert, mehr über die Umsetzung eines Stückes auf der Theaterbühne gelernt und Ideen für unsere eigene Umsetzung gesammelt. Schon bald übten wir die ersten Szenen mit Nebel, Stroboskoplicht und Plastikschwertern oder liefen zur Freude der Grundschüler als wild verkleidete Hexen mit wirren Haaren über den Schulhof. „When shall we three meet again?“ „In thunder, lightning or in rain!”

Dann kam der Lockdown und es hieß statt „meet again“ erstmal Stillstand. Über Iserv haben wir angefangen, gemeinsam Szenenpläne zu erstellen, um den kreativen Prozess irgendwie am Laufen zu halten. Doch Theater funktioniert nun mal nicht über längere Strecken ohne richtiges Spielen, es will auch niemand Macbeth über Videokonferenz dabei zuschauen, wie er König Duncan ermordet.

Nach den Sommerferien durften wir wieder Unterricht machen, jetzt jedoch mit Maske und Abstand. Die Aufwärmübungen haben wir nach draußen verlegt, um wenigstens dort ein bisschen mit Mimik und Gestik arbeiten zu können. Optimal ist es nicht gewesen, aber wir haben das Beste daraus gemacht und weiter an unserer Produktion gearbeitet. Bald hatten wir unsere Anfangsszene fertiggestellt und mit allen Mitteln gearbeitet, die die Schulbühne bietet. Besonders der Nebel kam kräftig zum Einsatz. Das Forum wurde mit der Maske dadurch bald zur Sauna. Aber wir hielten durch. 

Bald darauf haben wir – dank des zweiten Lockdowns - wieder von Zuhause gearbeitet - und hoffen doch, unseren Premierentermin im Juni einhalten zu können. Aufhalten lassen wir uns nicht, denn auch über Distanz kann man zusammenarbeiten. Unser Vorbild: Künstler auf der ganzen Welt, die momentan Zuhause sitzen, anstatt auf der Bühne zu stehen und uns trotzdem immer wieder durch ihre kreativen Ideen überraschen. Ob Balkon-Konzerte oder Theater über Livestream mit Pappaufstellern im Zuschauerraum; nichts scheint ein Hindernis zu sein, um die Kultur weiterleben zu lassen. Shakespeare wäre sicher beeindruckt!

Aber er wusste auch damals im Drama „Cymbeline“ schon: „Ein tiefer Fall führt oft zu höherm Glück.“

 

Text: Julia Fischer, Kurs Darstellendes Spiel Q1 Blk

 


Impressum | Datenschutzerklärung

Emil-von-Behring-Gymnasium
Sieker Landstraße 203a, 22927 Großhansdorf
Telefon +49 04102-4586-0
Fax +49 4102-4586-23