Völkerverständigung durchs Theaterspielen

„After Faust has spoken to Gretchen we play music“, schlägt eine deutsche Schülerin ihren französischen Ausstauschpartnern im Theaterworkshop vor. Das Theaterspielen ist Bestandteil des deutsch-französischen Austausches zwischen dem Stormarner EvB (Jg.9 und 10) und dem Lycée Sainte Thérèse in Rambouillet bei Paris (Jg 10). In gemischten Gruppen à sechs Schülern sollen die beiden Szenen „Strasse“ und „Abend“ aus Goethes Faust I in Szene gesetzt werden. Einmal im Original, einmal modernisert für das Jahr 2019 auf Deutsch, einmal modernisiert auf Französisch. 

„Neben Sport ist Darstellendes Spiel die beste Möglichkeit der Völkerverständigung“, begründet die Stellvertretende Schulleiterin Renate Schöneich diesen Programmpunkt.“ „Agieren auf der Bühne ist in erster Linie Sprechen mit dem Körper“, ergänzt Heike Blenk, Lehrerin für Darstellendes Spiel, die den Workshop leitet. Und die Körpersprache zumindest der Europäer sei universal und mache das Kommunizieren einfacher.

Dennoch wird natürlich reichlich geschwitzt in dem 4stündigen Workshop. Erst einmal muss der alte Text von 1808 verstanden werden. Auch für die deutschen Schüler ist das nicht problemlos – und dann müssen sie ihr Textverständnis den Franzosen weitergeben. In sehr einfachem Deutsch, auf Schulfranzösisch – oder auf Englisch, der LinguaFranca, die alle recht gut beherrschen. Wer ist Faust? Welche Gefühle hat er gegenüber Gretchen, nachdem er sie zum ersten Mal getroffen hat? „ Beim Himmel, dieses Kind ist schön! So etwas hab ich nie geseh´n…“ Was fühlt Gretchen? „“Ich gäb was drum, wenn ich nur wüsst´, Wer heut der Herr gewesen ist…“ Wo es dennoch hakt, hilft Lehrerin Sandra Duchossoisaus Rambouillet mit Erläuterungen und aufmunternden Worten. Ursprünglich in Henstedt-Ulsburg geboren beherrscht sie beide Sprache perfekt. Auch die Kolleginnen Fabienne Dufour und Eike Biemann assistieren.  

Auf Englisch werden dann auch Szenenideen vermittelt und diskutiert – und so wird ein Stück deutscher Literaturgeschichte kennengelernt und gleich in drei Sprachen kommuniziert. 

Die nächste Schwierigkeit ist dann das Spiel auf der Bühne. Wie überwindet man überhaupt sein Lampenfieber? Wie kann man laut genug sprechen, damit man im Publikum überhaupt gehört wird?  Wie arbeitet man effektiv mit Kostüm? Emilias Gruppe entscheidet sich für rote Rosen als Symbol für die Liebe. Milena trägt High Heels, um Fausts Interesse zu wecken. In Mélodies Gruppe wählen sie rote T-shirts, um die Verliebtheit zu zeigen. Wie arbeitet man mit Licht? Wie mit Musik - ohne dass die den Dialog übertönt? Trotz all dieser Fragen sieht man überall fröhliche Gesichter, hört Lachen und sieht motivierte Proben. Zuversicht, Lösungen zu finden. Man kann das alles natürlich hier nur anreißen“,  sagt Heike Blenk, „aber Anfänge sind gemacht und das Verständnis für Theater wird auf alle Fälle auch erweitert.

Und am Ende sind alle erstaunt und begeistert, welche Qualität die fünf binationalen Gruppen in so kurzer Zeit auf die Bretter, die die Welt bedeuten, bringen. Da begegnen sich beispielsweise ein cooler deutscher Faust und und ein noch cooleres französisches Gretchen im Jahr 2019 – und bereuen am Ende wie Goethes Figuren 1808, dass sie ihre Begegnung nicht vertieft haben. Sie ernten langanhaltenden ehrlichen  Applaus. Ebenso wie die anderen Theatergruppen, von denen keine bei der Aufführung kneift. Das Vertrauen und der Gruppenzusammenhalt sind gewachsen.

Dass sich Faust und Gretchen mit Hilfe des Teufels wiedersehen werden, das können alle dann, vermutlich deutlich motivierter, im Deutschunterricht lernen.

Text und Fotos: Heike Blenk


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