„Wie kann man denn die Theaterbühne mit Wasser fluten?“

„Da ist ja alles nass! Wie kann man denn die Theaterbühne mit Wasser fluten?“, fragten die Sechstklässler aufgeregt, als der Vorhang des Deutschen Schauspielhauses hochgegangen war und das Wasser auf dem Bühnenboden flackernde Schatten an die Wand warf.

Die Klärung dieser Frage musste warten, denn schon gab es weiteres Unerwartetes. Anstatt dass die Schauspieler aus den Tiefen der Bühne kamen, kletterten plötzlich zwei Schauspieler von hinten über die Stühle im Zuschauerraum. Sie hielten sich dabei auch schon mal an einer Zuschauerschulter fest und manch einer musste sich zur Seite wegduken, damit Prosper und Bo endlich das herbstliche, nasse Venedig erreichen konnten. Eingehüllt in Nebelschwaden standen die Ausreißer aus Hamburg dann auf dem Markusplatz und fragten sich, wo in dieser fremden Stadt sie nun einen Platz zum Schlafen und etwas zum Essen finden könnten.

Der Beginn des diesjährigen Weihnachtsmärchens „Herr der Diebe“, das die 6b und die 6c mit ihren Klassenlehrerinnen Heike Blenk und Marie Janssen und den Begleitlehrkräften Alice Goldbecher und Ute Thomsen besuchten,  war aufregend und schwungvoll – und so blieb es auch. Gespannte Gesichter und glänzende Augen waren auf die Bühnenhandlung gerichtet. Keine Sekunde wurde es langweilig, als die beiden Ausreißer-Brüder Aufnahme bei einer Kinderbande aus Waisen und Kleinkriminellen fanden und mit Wespe, Mosca, Riccio – und Scipio, dem (angeblichen) Herrn der Diebe – Abenteuer erlebten. Sie wurden vom Detektiv Victor und Tante Esther gejagt und fanden Aufnahme bei der vermögenden Ida, die auch ohne Eltern aufgewachsen ist. Es ging um Freundschaft und Ehrlichkeit und um den Wunsch, erwachsen zu sein, um endlich nicht mehr von den Erwachsenen herumgestoßen zu werden.

An vielen Stellen folgte die Inszenierung der Romanvorlage von Cornelia Funke. An anderen Stellen wurde etwas hinzugefügt. „Wir wollten auch zeigen, dass Venedig durch die Touristenmassen zerstört wird. Der Wasserpegel steigt ja unaufhörlich,“, erläuterte Theaterpädagoge Michael Müller im anschließenden Publikumsgespräch. Alle Szenen hindurch plitschte und platschte, patschte und pütscherte es und ein Touristenführer erläuterte Probleme mit den Kreuzfahrtschiffen.

„Ja, es ist schon eine besondere Herausforderung, die ganze Zeit nasse Füße zu haben“, lachte Schauspieler Jonas Hien, der sich nach der Vorstellung mit den Kindern unterhielt. „Wir haben zwar Neoprensocken und Gummischuhe – aber beim Rennen läuft das Wasser doch in die Schuhe und es gibt ja auch Szenen, da schmeißen wir uns mit dem ganzen Körper ins Wasser.“

„Wie kann man sich so viel Text merken, Sie spielen ja gleich drei Rollen – die Tante, einen alten Souvenirhändler und einen jungen Souvenirhändler?“, wunderte sich Viola. „Ich bin eben sehr intelligent!“, lachte Jonas Hien – und erläuterte dann ernsthafter, dass man durch Wiederholung textsicher würde. Überhaupt hatten die EvBler viele Fragen und genossen es sichtlich, dass ein echter Schauspieler, dem sie eben noch zugesehen hatten, sich Zeit nahm für sie. Die er eigentlich gar nicht hatte. „Oh, ich muss los, die zweite Vorstellung heute Vormittag spielen!“, rief er und sprang von dannen.

Livemusiker in den typischen Ringelshirts der Gondolieri sorgten für die passende akustische Untermalung und am Ende senkte sich ein glitzerndes magisches Karussel auf die Bühne, das aus Halbstarken Erwachsene machte und aus Erwachsenen Windelpupser.

„Das war wirklich super!“, sagte Juline auf der Rückfahrt in der Ubahn und die umstehenden Freundinnen nickten bekräftigend. „Durch Corona konnten wir mehrere Jahre nicht ins Theater“, erinnerte sich Levi. „Es war auch gut, dass wir das Buch vorher im Unterricht gelesen hatten“, meinte Lana. „Es ist interessant, was man für die Bühne verändern muss.“ „Jetzt bin ich gespannt, wie der Kinofilm geworden ist, den wir ja zum Vergleich auch noch sehen wollen“, freute sich Damian.

Wie die größte europäische Sprechbühne geflutet wurde, wurde am Ende auch noch geklärt. Die Bühnenarbeiter ließen eine Art kleines flaches Becken ein.

Text und Bilder: Heike Blenk


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